Heimat, aus der Sicht von: Laura, 25, Journalistin mit Wohnort Mönchengladbach

Heimat – das Wort gibt es nur im Singular. Es gibt nur die Heimat, nicht mehrere Heimaten. Das Wort zwingt uns, eine Entscheidung zu treffen. Wer versucht, das zu umgehen, spricht dann von der  „zweiten Heimat“. Doch auch das bringt eine klare Rangfolge mit sich: Da ist die erste und danach erst die zweite Heimat, die also nicht völlig gleichwertig mit der ersten ist.

In Deutschland wird viel Wert darauf gelegt, dass jeder eine Heimat hat. Wo sonst gibt es wohl das Genre „Heimatfilm“, den „Heimaturlaub“  und wer trifft sich in anderen Ländern schon regelmäßig in einem „Heimatverein“ und betreibt dort „Heimatpflege“? Im Englischen ist „home“ auch ganz einfach das Haus, in dem man lebt, und im Französischen ist die Ent­scheidung durch das Wort „pays natal“ auch ziemlich leicht:  Die Heimat ist das Land, in dem man geboren wurde. So einfach kann das sein.

In Deutschland geht das so nicht. Man kann man nicht einfach sagen: „Meine Heimat ist auf der Straße Soundso, Hausnummer xy“, wie im Englischen, oder „ Meine Heimat ist Deutsch­land“, wie im Französischen. Hier werden Prominente in Interviews oft gefragt, wo ihre „Hei­mat“ sei. Hier wird von uns erwartet, dass wir uns auf eine Region oder gar eine Stadt fest­le­gen. Wir sollen sagen können „Ich bin waschechter Ostfriese“ oder „Ich bin en Köllsche Mäd­sche“  und dabei soll mitschwingen, dass unser Herz dort hin gehört und wir – wenn wir auch gerade aus irgendwelchen Gründen woanders sesshaft sind – immer wieder oder am besten irgendwann für immer an diesen Ort oder in diese Region zurückkehren  werden.

Aber passt diese Erwartungshaltung eigentlich noch in unsere Zeit? Wie kann man erwarten, dass junge Leute flexibel und anpassungsfähig sind, Auslandserfahrung haben und dann gleichzeitig davon ausgehen, dass sie eine „Heimat“ in ihren Herzen rumtragen, einen Sehn­suchtsort, an den sie wehmütig zurückdenken? Der wäre doch bei all dieser Schnelllebigkeit nur lästiger Ballast.

Ich bin in Mönchengladbach am Niederrhein geboren, hier zur Schule gegangen, studiert ha­be ich in Maastricht, zwischenzeitlich in Budapest, Prag, Washington D.C., Berlin und Köln gelebt. Im Moment lebe ich wieder hier in Mönchengladbach. Weil ich hier in der Nähe ar­beite und mein Freund hier wohnt, nicht, weil hier meine „Heimat“ ist. Natürlich würde ich meine Eltern und meine Oma besuchen, wenn ich mit meinem Freund irgendwo anders le­ben würde. Würden sie wegziehen oder wären vielleicht irgendwann nicht mehr da, hätte ich sehr wahrscheinlich keine Gründe mehr, zurückzukehren.

Während meiner Zeit in den USA habe ich gespürt, dass ich Europäerin bin. Nicht Deutsche, sondern Europäerin. Bei Besuchen bei meiner Schwester in Stuttgart oder bei einer Freundin in Leipzig spüre ich aber auch, dass ich nicht Deutsche, sondern ganz explizit Rheinländerin bin. Mit meiner Frohnatur und Direktheit kommen die da im Süden und Osten nicht immer zurecht. Vielleicht würde ich damit aber auch nicht nur ins Rheinland, sondern auch nach Spanien oder Italien passen?

Es gibt zwei Städte auf dieser Welt, – zumindest unter denen, die ich in meinen 25 Jahren Verweildauer auf dieser Welt bisher entdecken konnte – in denen ich einfach glücklich bin, deren Anblick mich lächeln lässt, durch deren Straßen ich irgendwie „schwebe“.  Das sind Köln und Budapest. Würde ich die beiden in die engere Auswahl für „Heimat“ nehmen, müsste ich mich aber immer noch für eine Rangfolge entscheiden.  Und wer sagt mir, dass es da draußen nicht noch einen Ort gibt, an dem diese Gefühle auch so oder vielleicht sogar noch intensiver wären?

Was mich in den beiden Städten so glücklich macht, ist nicht nur, dass ich sie einfach schön finde. Ich habe auch schon viele andere schöne Städte gesehen. Wenn ich länger darüber nachdenke, ist es wohl so, dass ich in beiden Städten Freunde habe, mit denen ich genau dort tolle Tage und Nächte erlebt habe – Momente, von denen ich noch meinen Enkeln er­zählen werde. Jetzt könnte man ja ganz platt schlussfolgern: Heimat ist dort, wo die liebsten Menschen sind.

Das stimmt aber auch nicht. Mein liebster Mensch ist mit mir hier in Mönchengladbach. Trotzdem ist hier nicht meine Heimat. Und ich bezweifle auch, dass es reichen würde, alle Freunde aus Köln und Budapest hierher zu holen, um hier die gleichen Gefühle zu haben.

Irgendwie hatte ich gehofft, dass mich dieser Text hier weiter bringen würde. Aber jetzt bin ich noch verwirrter als vorher. Ich hoffe, ich werde nie prominent in Deutschland. Die In­ter­viewfrage „Wo ist Ihre Heimat?“ könnte ich nämlich nicht beantworten.

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